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Digital-Detox: Maike Engel

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Digital-Detox: Maike Engel

Maike Engel

Maike Engel

Ohne Handy geht in unserer Gesellschaft heutzutage gar nichts mehr. Maike Engel möchte diesem Trend entgegen wirken und hat das „Camp Breakout“ gegründet, ein Ferienlager für Erwachsene, in dem die Teilnehmer wieder richtig Kind sein dürfen und Handys tabu sind. Im Interview verrät sie, welche Situationen zur Entstehung ihre Camps geführt haben und wie sie mit Zweifeln umgegangen ist …

Wie und wann bist du auf die Idee zu „Camp Breakout“ gekommen?

Damals habe ich meinen Job gekündigt, bin dann erstmal für ein halbes Jahr nach Asien gegangen und habe dort dann so eine Art Findungsphase gehabt. Es war schon ein bisschen länger vorgesehen, dass ich mich selbstständig mache, aber ich wusste noch nicht so richtig womit. Und dann bin nach der Reise wiedergekommen und habe überlegt, was meine Fähigkeiten sind und worin ich wirklich gut bin. Es gibt zwei schöne Geschichten dazu, wie ich auf „Camp Breakout“ gekommen bin. In der einen Situation war ich mit einer Freundin unterwegs und habe ein kleines Kind in einer Pfütze spielen sehen und dann habe ich zur ihr gesagt: Sag mal, wäre das nicht cool, wenn es einen Ort geben würde, wo man mal wieder so richtig Kind sein kann? Und die andere Geschichte ist, dass ich gemerkt habe, wie abhängig die Leute einfach von ihren digitalen Geräten sind und jeder in der Bahn nur noch auf sein Handy starrt und gar nicht mehr das Hier und Jetzt wahrnimmt. Und da habe ich mir gedacht, dass man das früher doch eigentlich auch nicht gemacht hat. Da ist man auf Klassenreise gefahren, hat das total genossen und da gab es Handys auch noch gar nicht. Und diese beiden Situationen kamen zusammen und daraus entstand dann im letzten Jahr die Idee des Camps. 

Kannst du mal beschreiben, was die Teilnehmer von Camp Breakout erwartet?

Neben einer wunderschönen Location in der Natur, erwartet die Teilnehmer im Prinzip ähnliche Dinge, die man als Kind im Ferienlager gemacht hat: Wir übernachten Blockhütten mit Mehrbettzimmern, machen eine Schnitzeljagd, gehen Kanu fahren, sammeln Feuerholz, um ein Lagerfeuer zu zünden.  Zusätzlich gibt es verschiedene Bereiche im Camp z.B. einen sogenannten Playground mit altbekannten Gesellschaftsspielen, eine Chill-Out Zone und eine Do-it-Yourself-Area. Neben vielen sportlichen Aktivitäten bieten wir also auch etwas für Leute, die kreativ werden möchten oder einfach mal entspannen wollen. Für den kreativen Teil im Camp konnten wir das Start-up „Hand im Glück“ gewinnen, die als DIY Koryphäen eine Menge toller Selbermachen-Aktivitäen plant und die Teilnehmer vor Ort anleiten werden. Jeder Teilnehmer kann sich seinen Tagesablauf individuell und nach Lust und Laune zusammenstellen. Bei uns bekommt jeder Teilnehmer hundertprozentigen digitalfreien Ferienspass. 

Warum glaubst du, dass die Idee eines Ferienlagers, das man ja eigentlich eher für Jugendliche kennt, auch für Erwachsene genau das Richtige ist?

Weil ich glaube, dass sich viele wünschen, einfach mal wieder Kind zu sein und die ganzen Erwartungen, die die Leute zum Beispiel im Job an einen haben, ablegen zu können. Und im Camp ist man dann unter Gleichgesinnten und keiner nimmt es einem übel, wenn man sich mal lächerlich macht oder so. Ich glaube, dass viele mal wieder Lust dazu haben, zur Einfachheit zurückzukehren.

Für wen ist das Camp besonders geeignet?

Camp Breakout richtet sich insbesondere an Inspirationssuchende, Outdoorfreaks, Naturliebhaber, Großstadtgenervte oder Social-Media-Entzugsbedürftige.  Vom Alter her schätzen wir, dass man so ab Mitte Zwanzig erst anfängt die Kindheit überhaupt zu vermissen. Deshalb würde ich sagen, dass es nicht unbedingt die ganz jungen Menschen anspricht. Nach oben hin, gibt es jedoch keine Grenzen. Jeder, der das innere Kind in sich mal wieder entdecken will, ist in unserem Camp willkommen. Kinder dürfen bei uns allerdings nicht dabei sein, denn es geht ja darum die Verantwortung die man im alltäglichen Leben hat auch mal abzulegen. Da die geplanten Camps an der Ostsee und auf Usedom stattfinden,eignen sich die Camps besonders für Großstädter, die für ein verlängertes Wochenende ausbrechen wollen.  Aber eigentlich ist das Camp für jeden etwas, der einmal aus seinem Alltag ausbrechen will, ob nun Büroangestellter oder jemand, der beim Friseur arbeitet.

Was hast du gemacht, bevor du dich mit deiner Idee selbstständig gemacht hast?

Ich war acht Jahre lang in einer Medienagentur und habe Plakatwerbung geplant. Davor war ich außerdem in einer Eventagentur und habe PR-Events veranstaltet.  Von daher habe ich für das Camp schon einen gewissen Background. Die letzten acht Jahre in der Medienagentur waren aber eigentlich gar nicht so mein Ding, weil ich dort nichts Kreatives gemacht habe. Dann habe ich dort gekündigt und einfach den nächsten Flieger nach Asien genommen. Dort bin ich für ein halbes Jahr geblieben und im Mai letzten Jahres wiedergekommen. Und im Sommer entstand dann, wie ich bereits erzählt habe, die Idee zum Camp.

Bist du mit deiner Idee zunächst auch auf Zweifel gestoßen? Wie haben deine Familie und deine Freunde reagiert?

Meine Familie stand hinter mir und auch meine engsten Freunde, aber man hat schon gemerkt, dass viele das einfach nicht so ernst genommen haben, gerade weil es auch nicht unbedingt etwas ist, womit man seinen Lebensunterhalt finanzieren kann. Es gibt sogar bis heute noch Leute, die es nicht richtig ernst nehmen. Ich glaube, der Freundeskreis ändert sich sehr, wenn man sich selbstständig macht. Es gibt viele Neider, die dir das einfach nicht gönnen. Ich habe zum Beispiel Crowdfunding für das „Camp Breakout“ gemacht und gesagt, wenn ich das Geld zusammenbekomme, dann setze ich die Idee auch um. Und da habe ich wirklich gesehen, dass viele meiner Freunde das nicht unterstützt haben und ich darüber auch wirklich enttäuscht war. Ich finde, du musst dich mit den Menschen umgeben, die an deine Idee glauben und dich positiv beeinflussen, alle anderen ziehen dich nur runter.

Eine deiner Ideen ist, dass die Teilnehmer mal die Welt der Social Media hinter sich lassen und sich wieder auf die klassische Kommunikation einlassen. Welche Reaktionen hast du auf dieses Vorhaben bekommen?

Am Anfang haben wir überlegt, ob wir das Thema wirklich so in den Mittelpunkt stellen sollten. Aber es wurde immer mehr und mehr angenommen. Ich muss sagen, die Idee wurde wirklich positiv bewertet, weil viele Leute einfach Lust darauf haben, einfach mal abzuschalten und eigentlich praktisch dazu auch gezwungen werden, das zu tun. Das finden viele sehr gut und ist für sie auch der Grund, warum sie das Ticket buchen würden. Da ist natürlich auch wieder jeder anders eingestellt, aber ich glaube viele haben da auch ein Bedürfnis nach. Wir nehmen den Teilnehmern die Handys natürlich nicht weg, aber die Leute werden die Smartphones am Anfang des Camps dann symbolisch wegstecken. Und abgesehen davon ist an den Orten oftmals sowieso kein Empfang! In Amerika ist es in den sogenannten „Digital Detox Camps“ so, dass die Handys in einem Safe eingeschlossen werden, aber hier in Deutschland sind wir glaube ich noch nicht so weit.

Welchen Einfluss hat das Camp auf dein Leben? Nutzt du die Zeit zum Beispiel auch, um eine Auszeit von der Stadt und der ständigen Erreichbarkeit zu bekommen?

Im Moment klappt das bei mir leider gar nicht. Wenn man selbstständig ist, muss man ja leider zwangsläufig immer online sein. Und dann gibt es tatsächlich auch kein Wochenende mehr und damit keine Zeit, um mal abzuschalten. Man gönnt sich das wirklich viel zu selten. Ich freue mich auf den Tag, an dem ich mein Handy weglegen und alles hinter mir lassen kann.

Hast du einen Tipp für alle, die sich mit ihrer Idee selbstständig machen wollen?

Ein Tipp von mir ist, einfach mal zu überlegen, was das Schlimmste sein könnte, was im Falle einer Selbstständigkeit passieren könnte.  Und das ist im Endeffekt dann tatsächlich gar nicht so dramatisch. Man denkt ja oft, dass man das aufgrund von Existenzängsten nicht machen kann, aber wenn man sich mal bewusst macht, was das Schlimmste sein könnte, was passieren kann, dann verliert man so ein bisschen die Angst davor, den Schritt dann wirklich zu gehen. Und mein zweiter Tipp wäre, sich mit Leuten zu umgeben, die deine Idee unterstützen und dich auch pushen und inspirieren.

Alle Infos zu Camp Breakout bekommt Ihr unter: www.camp-breakout.com


Fotos: © Detlef Nehls, Jessy Katschewitz; Susanne Kreuschmer

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