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Klare Kante: Wotan Wilke Möhring

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Klare Kante: Wotan Wilke Möhring

Wotan Wilke Möhring Tatort Tödliche Flut

Wotan
Wilke Möhring 

“Kultur und Bildung haben als weiche Pfeiler unserer Gesellschaft eine ganz schlechte Lobby.”

Wotan Wilke Möhring (53) kommt als Kommissar Falke zurück zu uns in den hohen Norden. Im neuen Tatort “Tödliche Flut” (24. Januar, das Erste) ermittelt er auf Norderney in einem mysteriösen Immobilienskandal. Wie sein Tatort-Alter-Ego zeigt auch der Schauspieler in unserem Interview klare Kante, wenn es um das Thema Gerechtigkeit geht. Außerdem hat er uns verraten, wie er Home Schooling und Familienleben in Coronazeiten managt…

Der Tatort “Tödliche Flut” spielt diesmal nicht in Hamburg, der Homebase von Kommissar Falke, sondern auf Norderney. Wie waren die Dreharbeiten auf der Insel im Vergleich zur Großstadt?

Ich selbst bin für den Dreh natürlich gerne in Hamburg. Ich hab da meine ganzen Freunde. Aber ich bin auch gerne auf der Insel. Ich war das letzte Mal auf Norderney vor dreißig Jahren gefühlt, und jetzt in einem Jahr gleich zweimal für den Tatort und Sløborn, das auch auf Norderney spielt.

Im Tatort geht es um einen vermeintlichen Immobilienskandal auf der Insel, bei dem Investoren die Politik beeinflusst haben sollen. Auch in der Realität spielt die Beeinflussung der Politik, auch auf legalem Weg durch Lobbying, scheinbar eine immer größere Rolle. Wie bewertest du diese Entwicklung?   

Das finde ich sch…! Ganz klar! Auch die Pandemie zeigt ja offen, wer Lobby hat und wer nicht. Kultur und Bildung haben als weiche Pfeiler unserer Gesellschaft eine ganz schlechte Lobby. Die müssen immer als erste dran glauben. Es ist zum Beispiel auch nicht erklärbar, warum die Lufthansa 8,5 Milliarden Steuergelder kriegt, privat bleibt, und wohl trotzdem Mitarbeiter entlassen muss. Zudem sitzen im Flugzeug dicht an dicht wildfremde Leute mit Maske, die natürlich zum Essen die Maske abnehmen. Da ist es nicht zu erklären, warum dann alle Restaurants und Kinos, die sich genau dafür vorbereitet haben, zumachen müssen. Das hinterlässt natürlich einen faden Beigeschmack. Die Lufthansa hat eine starke Lobby. Sie kann mit Arbeitsplätzen argumentieren, auch wenn sie diese am Ende trotzdem abbaut. Die Wirtschaftsleistung des Kulturbetriebs wird hingegen nicht anerkannt, weil er nicht so gut organisiert ist und dadurch kaum Lobby hat. Der Lobbyismus kann ja legitim sein, aber er muss sichtbar gemacht werden.

Falke muss sich die Frage nach der Glaubwürdigkeit seiner Ex-Freundin stellen, die als Journalistin in dem Skandal recherchiert. Wahrheit und Fiktion sind heute dank Fake News & Co. oft nicht mehr so leicht zu trennen. Wie siehst du dieses Phänomen?

Ich glaube, was von einigen Menschen in letzter Zeit völlig umschifft wurde, ist der gesunde Menschenverstand. Der ist irgendwann mal abgeschafft worden, da war ich nicht da. Also, sich einfach mal zu fragen: Kann es sein, dass…? Da muss man nur einmal kurz nachdenken. Das Problem ist die Verschiebung von Fakten und Wissen, für das ich mich anstrengen muss, für das ich lernen muss, auf eine Gefühlsebene. Ich komme bestimmten Leuten gar nicht bei mit Fakten, weil Fakten interessieren die nicht. Die Leute wollen die Fakten nicht wissen, die vielleicht dem eigenen Bauchgefühl nicht entsprechen. Sondern man will das bestätigt haben, was man glaubt. Deswegen hält man sich auch in den Kreisen auf, die sowieso dieselbe Meinung haben.

Bei Falke und der Journalistin geht es aber um etwas anderes. Er hat mal eine emotionale Nähe gehabt zu dieser Person. Sie ist ihm jetzt allerdings ein bisschen unangenehm auch vor der Grosz. Es ist immer schwierig, wenn man seinen alten Partner wieder trifft nach langer Zeit, sich selbst vielleicht fragt, was fand ich eigentlich an der? Und dann guckt einen auch noch die andere an nach dem Motto, was fandest du denn eigentlich an der? Die Journalistin war in einer Notsituation und Falke ist eine moralische Figur, die sich, wenn jemand in Not ist, dorthin bemüht. Der kann nicht anders. Selbst wenn die Frau ihm egal wäre. Da folgt er seinem Gewissen. Dass er am Ende hier benutzt und ausgenutzt wird, ist der perfide Plan dahinter. 

Der Tatort dreht sich häufig um gesellschaftliche Themen. Wenn Du das Drehbuch für eine der nächsten Folgen bestimmen könntest, welches Thema würdest Du auf die Agenda setzen?

Ich mag diese kleinen Einzelschicksale, die bestimmte Hintergründe erklären, warum Menschen so werden, wie sie sind. Also, wie kommt ein Mensch dazu, jemand anderen zum Beispiel umzubringen oder wie komme ich zu der Tat, die den Tatort erzählenswert macht. Das finde ich auch für den Ermittler, die spannendste Aufgabe, die Motivation. Jeder macht in seiner Welt das Logische, zum Beispiel: Die haben mir was weggenommen, das hole ich mir jetzt wieder. Das ist ja nicht böse gemeint, sondern für den Täter ganz logisch. Wir alle kennen doch die Situation, wo man denkt, jetzt noch ein Ding und ich könnte die alle… Wo ist der Punkt, ab dem es mir reicht, ab dem ich diese Grenze zum Psycho überschreite? Das zu verstehen und das nicht nur abzuurteilen, sondern zu zeigen, – was wir auch in der Pandemie gelernt haben – wie labil und zerbrechlich das ganze Konstrukt ist, das finde ich extrem spannend. Und was ich natürlich auch noch ein super Thema fände, wäre mal während eines Fußballspiels einen Fall zu erzählen. 

Starkes Trio im Tatort "Tödliche Flut": : Franziska Hartmann, Wotan Wilke Möhring und Franziska Weisz

Starkes Trio im Tatort “Tödliche Flut”: Franziska Hartmann, Wotan Wilke Möhring und Franziska Weisz

Als Kommissar Falke machst Du auch eine ziemlich sportliche Figur. Wie hältst Du Dich fit?

Naja, eigentlich gar nicht. Also, ich schleppe Einkaufstüten und laufe Treppen statt den Fahrstuhl zu nehmen. Wenn ich denke, ich brauche Bewegung, dann bewege ich mich. Laufen geht natürlich immer. Und ich mache beim Home Schooling mit den Kindern auch eine Sportstunde. Die Kinder brauchen natürlich Bewegung, das ist ganz wichtig. Boxen finde ich super und ein bisschen Kicken mit den Kleinen im Park, aber ansonsten ist das, was man Sport nennen würde, im Moment nicht drin. Ich fühle mich aber trotzdem wohl. Wir sind doch, das habe ich den Kindern auch gesagt, eben mehr Naturwesen, als man denkt. Das hat uns die Pandemie ja auch gezeigt, wo wir dachten, wir beherrschen die Welt, dabei sind wir nur ein Teil davon. Der Winter ist eben mehr die Zeit des Sammelns, des Zurückziehens, des Geschichtenerzählens – und im Sommer kann man wieder rausgehen und sich bewegen.

Achtest Du für dich und die Kids auch auf das Thema Ernährung und kochst für die Familie?

Ja, klar! Für die Kinder mache ich hier Home Schooling, Kochen und alles rundherum. Da gucke ich natürlich auch, was auf den Teller kommt. Es soll schmecken, trotzdem nicht zu kompliziert sein, muss kindgerecht und möglichst gesund sein. Ich selber esse gerne gesund, einfach weil es mir am besten schmeckt, und das geht den Kindern genauso. Also alles ohne großes Gehampel, aber achten tue ich da natürlich schon drauf. Zum Beispiel gucke ich, wo die Äpfel herkommen, wenn ich Äpfel kaufe. Warum sollen die aus Neuseeland kommen, wenn es auch nebenan gute Äpfel gibt?

Norderney ist normalerweise weniger Krimi-Kulisse, sondern eher eine Insel auf der wir unseren Urlaub verbringen. Seit Corona sind ja Holidays at Home in Deutschland angesagt. Hast Du einen Tipp für Urlaub im eigenen Land für uns?

Ich würde die Nähe erkunden, alles, wo man abends wieder nach Hause kommen kann. Das ist genau das, an dem wir sonst immer vorbeifahren. Sei es vielleicht den eigenen Bezirk statt mit dem Auto einmal zu Fuß zu erkunden. Wer Kinder hat, der weiß, dass das Staunen schon morgens anfängt, deswegen gibt da es immer was zu entdecken. Mal richtig hingucken, wie die Pflanze wächst. Warum zieht sich die Natur zurück, warum wir nicht? Was passiert da? Ist der Baum jetzt tot, oder warum hat er keine Blätter? All das kann man mal in Ruhe angucken. Oder ich schaue einfach in den Garten: Wie heißt denn der Vogel mit der roten Brust? Wie heißt der Schwarze mit dem orangenen Schnabel? Da gibt es ganz viel zu entdecken.

Auch die Musik spielt in dem Tatort “Tödliche Flut” eine große Rolle – sie wurde schließlich erstmals vom NDR Radiophiharmonie Orchester eingespielt

Genau, es sollte sogar ein riesen Live-Event geben, aber das ist leider, leider zum Opfer der Pandemie gefallen. Ich hoffe, dass die Endgeräte der Zuschauer das hergeben, dass sie merken, dass die Musik eigens komponiert und quasi Live-Score für diesen Tatort eingespielt wurde, und das auch honorieren.

Du selbst hast früher auch in Bands musiziert. Welche Rolle spielt Musik heute in Deinem Leben?

Ich spiele noch Gitarre und ich habe zwölf Jahre lang Geige gespielt. Musik ist total wichtig und eben eine universelle Sprache. Wenn ich Musik höre, dann löst das was aus. Wenn ich Worte höre in einer Sprache, die ich nicht verstehe, dann höre ich auch nur auf die “Musik der Worte” auf den Klang und nicht auf den Inhalt. Zwei Sekunden Musik und wir sind in der Emotion drin, die hundert Worte nicht erklären können. Deswegen ist das natürlich gerade im Film ein wichtiges Element. Musik kann einen, jetzt auch gerade in diesen Zeiten, in die eine oder in die andere Richtung bringen. Deshalb ist Musik ein total wichtiger Emotionsmacher und -messer.

Welche Projekte stehen 2021 für Dich an, auf die wir uns freuen können?

Es gibt einen interessanten Kinofilm und es ist noch ein weiteres Projekt in der Mache, das viel mit der Andersartigkeit von Menschen zu tun hat. Dann gibt es natürlich zwei neue Tatorte und ich tauche wieder auf in der Serie Stralsund. Außerdem soll Sløborn weitergedreht werden. Also, es gibt einiges zu tun. Ich hoffe, dass es nicht zu viel wird, wenn es dann endlich wieder losgeht. Aber ich hoffe vor allem, dass wir uns trauen, auch Filme zu machen mit Maske. Wir dachten ja alle, das geht vorbei, aber es ist einfach die Realität. Da bin ich mal gespannt, wann sich der erste das traut.

TATORT “TÖDLICHE FLUT”

In ihrem neuen Fall ermitteln die Kommissare der Bundespolizei Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Julia Grosz (Franziska Weisz) auf der Nordseeinsel Norderney. Dort ist die investigative Journalistin Imke Leopold (Franziska Hartmann) einem vermeintlich illegalen Immobiliendeal auf der Spur. Als sie Thorsten Falke um Hilfe bei der Aufklärung bittet, reagiert er zunächst skeptisch. Als Imke kurz darauf Opfer eines Anschlags wird, den sie nur durch Glück überlebt, bereut Falke sein Zögern und bittet seine Kollegin Julia Grosz, mit ihm auf der Insel zu ermitteln. Hat der Anschlag etwas mit einem groß angelegten Bauprojekt zu tun, das aufgrund der Zustimmung einiger Lokalpolitiker auf der Insel durchgewunken wurde? Der auf Norderney ansässige Anwalt und Makler, der den Deal eingefädelt und Imke gegenüber entsprechende Andeutungen gemacht hat, fällt als Informant leider aus – Falke und Grosz finden ihn erschlagen in seinem Haus…

Am Sonntag 24. Januar 2021
um 20:15 Uhr im Ersten


Fotos: © NDR/Christine Schroeder

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