Mrs.CITY Hamburg
You Are Reading

Wortgewandt: Anneke Mohn

100
CITY-GUIDE, CITY-TALK

Wortgewandt: Anneke Mohn

Anneke Mohn

Anneke Mohn

Autorin Anneke Mohn weiß genau: Der Alltag in einer Patchwork-Familie ist bunt, aber erfordert auch eine gute Organisation. In ihrem neuen Buch „Unter einem Dach“ schreibt sie über ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Thema. Im Mrs.City-Interview erzählt die 44-Jährige, was das Tollste an einer Patchwork-Familie ist und wie sie auf die Ideen zu ihren Romanen kommt …

Wie kam es dazu, dass du mit dem Schreiben von Büchern angefangen hast?

Der Weg zum Schreiben war bei mir nicht so weit, weil ich vorher selbst im Lektorat gearbeitet habe und jahrelang mit dem Begutachten von Manuskripten und dem Bearbeiten von Texten zu tun hatte. Allerdings habe ich es lange Zeit nicht gewagt, tatsächlich etwas zu beginnen, weil ich sehr großen Respekt vor dem Geschichtenerzählen hatte (und mehr denn je habe). Dass ich es doch getan habe, verdanke ich einer ehemaligen Rowohlt-Kollegin, die vor ein paar Jahren gefragt hat, ob ich nicht mal was für sie schreiben möchte. Und wenn man so etwas schon gefragt wird, dann muss man es ja probieren. Das Ergebnis war Kirschsommer, mein erster Roman, der 2013 erschien.

Was hast du gemacht, bevor du Buchautorin wurdest?

Ich habe nach einer Ausbildung zur Verlagsbuchhändlerin und einem ziemlich ausgedehnten Literaturstudium in den Lektoraten verschiedener Verlage gearbeitet und mich dann als Lektorin und Übersetzerin selbständig gemacht.

Wie muss man sich bei dir die Entstehung eines Romans vorstellen? Wie sieht bei dir der Schreibprozess aus?

Wenn ich eine neue Idee habe, die das erste Weiterdenken und die ersten Zweifel übersteht, gehe ich erst mal ziemlich lange mit ihr schwanger. Das heißt, ich recherchiere, entwickle die Figuren, überlege mir das Setting und den groben Verlauf der Handlung bis zum Ende. Wenn ich alles halbwegs beieinander habe, fasse ich in einem Exposé alles zusammen, und das sieht dann auch meine Lektorin. Nachdem mit ihr alles besprochen ist, geht es ans Schreiben, das dauert meist ungefähr ein halbes Jahr, und schließlich wird überarbeitet – auch noch mal ein aufwändiger Prozess, der mir aber großen Spaß macht.


Woher holst du dir die Ideen für deine Bücher?

Aus dem Leben – meinem eigenen, dem von Freunden und Verwandten. Aber auch fremde Gesichter, Gesprächsfetzen, Zeitungsberichte haben mich schon inspiriert. Ideen können völlig unerwartet aus jeder Ecke kommen, ob der Zeitpunkt gerade passt oder nicht.


Dein aktuelles Buch „Unter einem Dach“ beschäftigt sich mit dem Thema Patchwork-Familie. Ein Thema, mit dem du auch persönlich Erfahrungen gesammelt hast. Wie muss man sich das Leben in einer Patchwork-Familie vorstellen?

Es ist alles noch ein bisschen komplizierter als bei „normalen“ Familien. Der Alltag, die Wochenenden, die Feiertage, die Ferien – überall sind bei der Planung mehr Beteiligte zu berücksichtigen. Wenn Halbgeschwister zum Beispiel in unterschiedlichen Bundesländern leben und  sich ihre Ferien nur wenig überschneiden, dann ist die Urlaubsplanung unter Berücksichtigung aller betroffenen berufstätigen Erwachsenen eine größere logistische Herausforderung. Und dann ist natürlich auch die emotionale Gemengelage komplex. Wer sich in einer Patchworkfamilie zusammenfindet, hat ja schon eine Geschichte, und es ist eine ohne Happy End. Das hat Folgen für den nächsten Versuch. Wenn ein Elternteil oder beide eine neue Beziehung haben, ist das für die Kinder natürlich nicht leicht, erst recht, wenn noch weitere Kinder hinzukommen. Und die Erwachsenen würden sich zum Teil vielleicht lieber aus dem Weg gehen, was unter diesen Umständen aber nur bedingt möglich ist. Ich muss aber sagen, dass durch alle diese Umstände oft auch sehr komische Situationen entstehen. Und die Schwierigkeiten sind mit Liebe und Geduld auf der einen und etwas Distanz auf der anderen Seite meiner Erfahrung nach zu bewältigen, und dann hat das Ganze tatsächlich manchmal etwas von Happy End.


Was ist das Tolle an einer Patchwork-Familie?
Dass sie immer auch eine Großfamilie ist! Unsere Familie besteht aus der Familie meines Mannes, meiner eigenen großen Familie und der Familie des Vaters meiner Tochter, die sogar noch größer und verzweigter ist. Da gibt es keine Altersgruppe, die es nicht gibt. Es ist ein in jeder Hinsicht bunter Haufen, und das empfinde ich als große Bereicherung für uns alle.


Dein Buch nähert sich dem Thema mit viel Humor an. Was braucht man neben Humor noch, damit das Leben in einer Patchwork-Familie harmonisch verläuft?

Bud Spencer hat mal gesagt: „Nur ein großes Herz hält eine Familie zusammen.“ Das gilt für Patchworkfamilien besonders, weil man sein Herz ja auch für die öffnet und öffnen muss, mit denen man nicht blutsverwandt ist und die man sich nicht ausgesucht hat. Ich habe zum Beispiel Freunde, Männer, deren Kinder nach der Trennung überwiegend bei der Mutter leben, und nachdem diese Männer eine neue Partnerin haben, leben sie mit ihr und deren Kindern zusammen. Nicht mehr mit seinen eigenen Kindern zusammenleben zu können, dafür aber mit anderen, ist bestimmt nicht immer leicht. Aber ein großes Herz, innere Großzügigkeit sind natürlich auch in jeder anderen Patchwork-Konstellation von Vorteil.


Wie bekommst du Beruf und Familie unter einen Hut?

Da ich zu Hause arbeite, habe ich den großen Vorteil, mir meine Zeit selbst einteilen zu können und niemandem über meine Arbeitszeiten Rechenschaft ablegen zu müssen. Als ich noch angestellt war, war die Situation viel schwieriger, weil man ja eigentlich dauernd beweisen will, dass man genau so belastbar ist wie die kinderlosen Kollegen und deshalb permanent an seine Grenzen geht – ein Weg, der mit großer Wahrscheinlichkeit zum Burnout führt. Aber in vielen deutschen Unternehmen ist man als arbeitende Frau mit Kind leider immer noch sehr in der Defensive. Als Freiberuflerin liegt die Herausforderung eher darin, die Zeit für Familie und Beruf so gut voneinander trennen, dass man dann auch mit ganzem Herzen bei der Sache ist. Wenn man allerdings kreativ arbeitet und zum Beispiel an einer neuen Buchidee rumdenkt, kann man das praktisch vergessen… und so geht eben alles fröhlich durcheinander.


Du hast mittlerweile drei Romane veröffentlicht. Wie hast du deine Buch-Projekte verwirklicht? Wer hat dir dabei geholfen?

Nachdem mein Erstling Kirschsommer sich gut verkauft hatte, war ich in der komfortablen Situation, dass mein Verlag weiter mit mir zusammenarbeiten wollte und ich Vorschläge machen konnte. Über die habe ich dann mit meiner Lektorin gesprochen, die immer schon früh eingebunden ist, mich bestärkt und Kritik übt und mich dadurch jedes Mal weiterbringt. Während des Schreibens ist mir auch mein Mann eine sehr große Hilfe, der sich höchst geduldig stundenlang anhört, was ich über meine Figuren zu erzählen habe und wo ich gerade nicht weiter weiß, und der immer wieder selbst ganz tolle Ideen hat.


Neben deinem Roman  „Unter einem Dach“, welchen Roman sollten wir 2016 unbedingt noch lesen?
Wer Familiengeschichten mag, in denen es drunter und drüber geht, dem kann ich „Ziemlich unverbesserlich“ und „Ziemlich unverhofft“ von Frauke Scheunemann empfehlen. Wie sich die alleinerziehende Anwältin Nikola Petersen mit ihren Kindern, ihrer Schwiegermutter und ihren Klienten rumschlägt, das ist sehr unterhaltsam und dabei voller guter Beobachtungen und wahrer Familienmomente. Die beiden Romane spielen übrigens ebenfalls in Hamburg.


Hast du einen Tipp für alle, die ihre Idee verwirklichen wollen, aber sich noch nicht so richtig trauen?

Einfach anfangen zu schreiben! Und wenn man dann Rat braucht, sollte der möglichst professionell sein und vielleicht nicht gerade von der besten Freundin oder der Mutter kommen. Sehr empfehlen kann ich die Schreibseminare, die einige meiner Kolleginnen anbieten, aber auch Autorenschulen wie zum Beispiel die Textmanufaktur. Schreiben ist ja in weiten Teilen ein Handwerk, und das kann man da sehr gut lernen, außerdem lernt man Gleichgesinnte kennen und kann sich mit ihnen austauschen, das ist auch viel wert.

Alle Infos zu Anneke Mohn bekommt Ihr unter: www.annekemohn.de


Fotos: © PR, Redaktion: Constanze Lerch

Das könnte Dich auch interessieren


DIESE ARTIKEL SIND AKTUELL BELIEBT